[Bild von Rosi Cröni]

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Beruf – Mit Kamm, Schere & Co

Das Friseurhandwerk ist einer der ältesten Handwerksberufe. Schon in der Vorantike war den Menschen gutes Aussehen, was natürlich insbesondere die Haare mit einbezog, sehr wichtig. Im alten Griechenland waren Vollbart und langes gelocktes Haar bei den Philosophen ein Zeichen von Würde und Weisheit.

Im Mittelalter war der Friseur Bader, Figaro, Barbier, Zahnarzt und Chirurg gleichzeitig. Der Bader war durch seine Berechtigung zu ärztlichen Eingriffen sehr angesehen, was nicht zu allen Zeiten der Fall war. Interessant ist, dass der Friseur, ehemals Bader genannt, nicht nur für Haarschnitte und Frisuren zuständig war, sondern auch Zähne zog, Wunden behandelte und als Chirurg arbeitete.

Im Wandel der Zeit erforderte der Fortschritt der Medizin jedoch ausgebildete Chirurgen und Zahnärzte. Aus den Barbieren wurden nun Perückenmacher und diese verdienten zur Zeit des Rokoko mehr als Minister! Aus den Badern entwickelten sich die Heilgehilfen. (Die Redewendung: „Unter die Haube bringen“ stammt übrigens aus der Zeit der Gotik. Die Kirche bestimmte, dass „verheiratete“ Frauen ihre Haare unter eine Haube versteckten).

Für diesen traditionsreichen Beruf hatte ich mich also entschieden. Zu meiner Gesellenprüfung musste ich noch das Ondulieren mit der Brennschere bzw. der Ondulierschere können. Der Franzose Marcel Grateau entwickelte die Ondulation 1872, die bis in die Sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts sehr populär war.

An die Dauerwelle, 1906 von Karl-Ludwig Nessler erfunden, denke ich nicht gerade mit Vergnügen zurück. Die ätzenden Chemikalien hatten oftmals blutige Hände zur Folge. Eine etwas weniger aggressive und natürlicher wirkende Dauerwelle war die Minipli der 1970er Jahre, die auch von der Männerwelt nicht verschmäht wurde. Die Menschen wünschten sich zu allen Zeiten gelockte Haare. Ausgrabungen haben gezeigt, dass schon 3100 v. Chr. Haare auf Tonwickler gewickelt wurden.

[Frisörwerkzeuge]

Erwähnen möchte ich, dass zu meiner Gesellenprüfung eine Rasur mit dem besonders scharfen Original-Rasiermesser verlangt wurde. Die Schneide wurde an einem Lederriemen abgezogen, um die entsprechende Schärfe zu bekommen. Höhlenmalereien beweisen, dass sich Menschen bereits vor ca. 25.000 Jahren mit geschärften Steinen und Muscheln rasiert haben. Abgesehen von einigen nicht so angenehmen Erinnerungen während meiner Lehrzeit bereue ich es nicht, mich für diesen interessanten Beruf entschieden zu haben. Zu den Weltmeisterschaften der Friseure reiste ich zusammen mit meiner Freundin und Cousine mit großer Begeisterung nach Amsterdam, Paris oder London, um die besondere Atmosphäre zu spüren und den Starfriseuren, deren große Zeit erst in den 1960er Jahren begann, bei ihrer Arbeit zuzuschauen.

In London präsentierte die Hamburger Hair-Stylistin Marlies Möller, ihre Frisuren-Show. Insbesondere wollte ich mich natürlich beruflich inspirieren lassen. Den aktuellen Trend der Frisurenmode mit so viel Glamour zu erleben war schon beeindruckend. Einer der meistgefragten Haarstylisten der Sechziger und Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts war der Engländer Vidal Sasson. Er entwickelte eine Haarschneidetechnik, die einer Revolution gleich kam, den Systemformhaarschnitt – und diese Technik ist heute noch die Grundlage der handwerklichen und künstlerischen Arbeit der Friseure. Sasson gilt auch als Erfinder des Bobs, der zu den beliebtesten Trendfrisuren gehört.

Es war auch die Zeit des Rock’n’ Roll, die mit Elvis Presley begann. Die Elvis-Tolle war über lange Zeit die beliebteste Frisur bei der Jugend, die aber dann von den Beatles, den Pilzköpfen Konkurrenz bekam. Bei den Damen stand die Farah Diba Frisur hoch im Kurs. Der Afro Look und die besonders vielfältigen Hochsteckfrisuren wurden modern. Beat, Twist, Rockmusik und lange Haare bei den „Halbstarken“ waren nun angesagt.

Die bisherigen Wert- und Moralvorstellungen wurden zum Entsetzen der älteren Generation in Frage gestellt. Letztendlich war die so bekannte Kulturrevolution der 68er Generation die Folge. Heute kaum noch vorstellbar, existierte bis 1969 der Kuppelparagraph. Wenn Männern und Frauen ohne Trauschein die Gelegenheit geboten wurde, gemeinsam zu übernachten, konnte eine Gefängnis- oder Zuchthausstrafe folgen.

Zu dieser Zeit wohnte ich schon in der Stadt Reutlingen. Diese Wohlfühlstadt hat die Schwäbische Alb vor der Haustür, die weltberühmte Universitätsstadt Tübingen gleich um die Ecke, die Landeshauptstadt Stuttgart in der Nähe und der Bodensee ist nicht allzu weit entfernt.

In Reutlingen machte ich an der Abendschule meine Meisterprüfung und eine meiner größten Herausforderungen war die Anfertigung einer kompletten handgeknüpften Echthaar-Perücke als Meisterstück. Das Knüpfen ist eine Erfindung der Perückenmacher nach der Französischen Revolution. Diese Erfindung und der später verfeinerten Technik des Tamburierens ermöglichte es, Haarersatzteile unauffällig miteinander zu verbinden.

Mein Beruf ist sehr vielseitig. Er erfordert Fingerspitzengefühl, eine nicht zu unterschätzende künstlerische Begabung, Gefühl für Stil und guten Geschmack. Menschen durch eine neue Frisur zu verschönern, machte mir sehr viel Spaß.

Wie viele Kundenwünsche ich während meiner langjährigen Berufstätigkeit versucht habe zu erfüllen, kann ich nicht sagen. Ich kann aber sagen, wie wichtig es ist, mit Menschen umgehen zu können – höflich, beratend und diskret.

Gerne habe ich über meinen Beruf geschrieben, der wie kaum ein anderer so den modischen Trends unterworfen ist und trotzdem jedes Mal neu und individuell für jeden Menschen nach Typ und Persönlichkeit berücksichtigt werden sollte.